Ich kann zwar begreifen, dass Tolkienfans den Rassismusvoruwrf nicht dulden wollen – aber können wir so sicher sein?
Wenn jemand sich jahrelang hinsetzt und über Rassen schreibt – Elben, Orks, Zwerge etc: da steckt doch notgedurngen ein Rassedenken dahinter?
In „Hobbit“ finden wir die Aussage über Bilbo, dass es ihm – mit dem geborgten Zwergenmantel – oberpeinlich war, dass er wie ein Zwerg aussah. Zwerge galten nicht so viel. Das sagt zwar nichts über Tolkien – aber immerhin hat er ein rassisitisches Denken in seinen „Hobbit“ gepflanzt.
Ciriel hat geschrieben:
1. Die Leute mögen glauben, es heiße "Heil", aber eigentlich ist es "hail". Ich weiß nicht, aber für mich ist das deutlich ein Unterschied. "hail" ist altenglisch. In Bezug auf die Rohirrim und ihren Ursprung ist das nur logisch und konsequent. Es kann auch nicht einfach so mit dem (lateinischen?) "Heil" gleichgesetzt werden (auch wenn es Leute gibt, die das gerne hätten). Es gilt, was auch für die nordischen Mythen gilt: Die Geschichten selbst können nichts dafür, daß man sie mißbrauchte (wobei da wiederum viele wieder "Wagner" mit "Edda" verwechseln.
Der Punkt ist aber, dass Tolkien dies in den vierziger/fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts geschrieben hat . Er weiß doch um die Allergien gegen Massenaufmärsche und Kriegsbegeisterung. Die Narben der Nazizeit sind frisch. Ich kann es niemandem verdenken, der Tolkien unterstellt, dass er an solchen Sachen Freude hat. Das Jauchzen, wenn eine Schlacht gewonnen ist (wenn es „die Guten“ sind) - das schildert Tolkien mit allen epischen Mitteln. Es fällt mir schwer, das vom Tisch zu fegen. Mir selber wird, sorry, muss sein: "kotzübel", wenn ich das lese.
Ciriel hat geschrieben: Kann es sein, daß Tolkien diese Gedankenströmung einfach unhinterfragt übernommen hat? Oder gibt er tatsächlich nur eine "mittelalterliche" Sicht der Dinge wieder (ohne diese selbst zu teilen) weil die Gesellschaftsstrukturen, die er im Herrn der Ringe beschreibt, eben mittelalterlch sind?
Im Endeffekt ist diese Frage nicht zu beantworten, denn der einzige, der seine Meinung kannte, war Tolkien selbst.
Aber es gilt hier, wie auch überall anders: Jeder ist ein Kind seiner Zeit. Das entschuldigt die Behandlung der Schwarzen, das imperalistische Denken usw. keineswegs, aber es macht die Einstellung verständlich (finde ich). Wer weiss, in 100 Jahren macht man sich wegen irgendeiner Haltung gegen irgendwas oder irgendwen über uns lustig.
Tolkien hat keine mittelalterliche Welt beschrieben. Im Mittelalter gab es weder Hobbits noch Orks. Aber selbst wenn:
wer zwang ihn dazu? Wenn jemand gerne Kriege mit vielen Toten beschreibt, dann sucht er sich halt ein Zeitlater aus, in dem es viel Folter und so gab. Wer klar Stellung gegen Krieg beziehen will, wird keine jauchzenden fahnenschwenkenen singenden Siegervölker beschreiben - es sein denn, er tut das sarkastisch.
Entschuldigen möchte ich zum Beispiel die Nazis nicht dadurch, dass sie Kinder ihrer Zeit waren. Es mag viele Mitläufer gegeben haben - aber es gab auch viele Überzeugte. Es gab solche, die für Rassismus anfällig waren, und solche, die das abstieß. Und es gab die, die eine eigene Meinung hatten und rebellisch waren.
Verstehen kann man natürlich immer jeden - aber hier geht es ja darum, welch Geistes Kind Tolkien war.
Zudem paßt wie Du schon geschrieben hast zu einer mittelalterlichen Welt nun mal kein "modernes" Gesellschaftsbild. Das war inkonsequent und würde das Gesamtbild schwächen.
Hierzu muss ich sagen, dass - abgesehen davon, dass Tolkien ja keinen Geschichtsroman über das Mittelalter geschrieben hat - es immer darauf ankommt, wie ein Autor zu dem Geschilderten Stellung nimmt (wie du ja auch selber sagst).
Es gibt eigentlich keinen Autor von Rang, der nicht zu dem Geschilderten indirekt Stellung nimmt. Das heißt, er lässt klar durchblicken, von welcher ideologischen oder geistigen Warte aus er Dinge schildert.
Diese "implizite" Ideologie oder Weltsicht eines Werkes ist das, was uns darauf Antwort geben kann, ob das Werk (unter anderem) aus einer rassitischen Grundhaltung heraus geschrieben wurde oder nicht.
Ich wage mich zur Zeit noch nicht an eine Antwort. Vielleicht finde ich den Sarkasmus und die Verachtung heraus, mit der Tolkien den Siegestaumel der Heere gegen Saruron geschildert hat. Bislang sehe ich ihn auf deren Seite. Und ich mache es mir wahrhaft nicht leicht.
Aricia hat geschrieben:Was Rassismus oder auch faschistoides Gedankengut und die entsprechenden Vorwürfe angeht... naja da muss man nicht bei Tolkien bleiben, diesen Vorwurf muss sich das gesamte Fantasygenre immer wieder gefallen lassen...
Letztendlich finde ich sie schlicht heuchlerisch und ein typisches *nach dem Teufel such* Verahltensmuster, denn wer käme auf den Gedanken, den Gebrüdern Grimm dieselben Vorwürfe zu machen?
Das ist keineswegs heuchlerisch.
1. Schreiben die Gebrüder Grimm niemals über Schlachten, niemals über Folter.
2. Sind die Sachen von Grimm Volksmärchen aus dem 18. Jahrhundert und früher, die Sachen von Tolkien Kunstsagen und aus dem 20. Jahrhundert.
Beides darf redlicherweise nicht übersehen werden. Und außerdem: Der Rassismus-Vorwurf hat nichts mit Schwarz-Weiß-Denken zu tun, sondern damit, dass gewisse Verhaltensmerkmale an Rassen gebunden sind. Dass es niedrigige und weniger niedrige Rassen gibt.
Letzteres findest du nirgends bei Grimm, bei Tolkien zuhauf. Stell dir das nur mal lebendig vor Augen:
Die Nazi-Ideologie
– Leute mit einer bestimmten Schädelform, mit einer bestimmten Haarfarbe gehören entweder zur Herrenrasse oder zur Sklavenrasse; erstere dürfen die anderen morden (wir finden in Tolkiens Briefen den Ausspruch, dass die Orks nur Tiere sind und ermordet werden dürfen) -
hatte Weltherrschaft angestrebt und war gerade mal vor ein paar Jahren zusammengebrochen,
und schon setzt sich ein Autor hin und macht seitenlange Entwürfe über unterschiedliche Rassen mit unterschiedlichen Merkmalen und weist ihnen Herren- oder Sklavenrechte zu:
was denkt man da? Was trieb ihn dazu?
Ist das so einfach zu beantworten? Wollt ihr da im Ernst behaupten, nur die, die Tolkien ungenau lesen, halten ihn für einen Rassisten, und die anderen, die Klugen, die genau Lesenden kommen zum gegenteiligen Urteil? Ich kenne sehr wohl Leute, die Tolkien absolut gut kennen und da keineswegs sicher sind.
Und nun mal die Briefe. Sie sind nicht die Bibel und auch nicht das Non-plus-Ultra – aber was da so rüber kommt, zeigt mir schon ein gewisses Klischeedenken bei Tolkien.
Um aber insgesamt nicht falsch verstanden zu werden:
Selbst wenn der HdR faschistoide Züge enthalten würde; selbst wenn Tolkien als Mensch leicht rassistisch dachte:
In seinem Hauptwerk, da gebe ich einem Sprecher oben recht, ist davon nichts zu sehen. Als Hauptwerk verstehe ich den unfertigen Silmarillion-Komplex. Da ist Tolkien sozusagen „zu Hause“ – da lag seine Berufung. Der HdR ist ein Auftragswerk, das er versucht hat, so gut wie möglich hinzukriegen.
Viele Grüße
Inken