Soviel zu meiner Befürchtung, daß ich Euch mit dem Rolli-Thema nicht hinterm Ofen hervorlocken könnte. Nun sieh sich einer die ganzen Antworten an! Und dann meldet sich auch noch prompt ein LARPer. WOW!!!! Ist das geil hier!
Ahem (*wiedereinkrieg & seriöswerd*). Jetzt aber erst mal weiter im Text.
Willkommen zurück bei meiner kleinen RPG-Übersicht! RPG steht übrigens für
Role Playing Game und ist ein gutes Beispiel für die grenzenlose Abkürzungswut von Rollenspielern. Alle möglichen und unmöglichen Dinge werden, wie es eben geht, abgekürzt.
Ihr erinnert euch vielleicht: Rollenspielcharaktere (auch Helden genannt) definieren sich regeltechnisch gesehen über sogenannte "Charakterwerte". Diese lauten z.B. MU, KL, GE, KK, CH, IN usw. Alles klar? MUtationsrate, KLonierbarkeit, GErissenheit, KochKünste, CHorsingen, INkontinenz? Aber nein! Die Auflösung lautet: Mut, Klugheit, Gewandtheit, Körperkraft, Charisma, Intuition. Das ist das Zeug, aus dem Rollenspiel-Helden geschnitzt sind. Die genannten Bezeichnungen sind dem "Schwarzen Auge" entliehen, ähnliche Abkürzungen finden sich aber bei allen mir bekannten kommerziellen Rollenspelen. Beim Schwarzen Auge rangieren diese Werte meist zwischen 1 und 20, wobei ein niedriger Wert eine schlechte Ausprägung bedeutet. Ein Wert von 10 wäre das genaue Mittelmaß und 20 ist das angestrebte Ziel, der bestmögliche Wert, der nur noch von überirdischen und magischen Wesen übertroffen werden kann. Oder anders ausgedrückt: KK 5 = Hemd, KK 10 = Normalo, KK 15 = Bodybuilder/in, KK 20 = Mister oder Misses Universum. Passend dazu liegt dem DSA-Regelwerk ein Dodekadingens..äh...ein 20seitiger Würfel bei. Mit diesem können, wenn es die Spielsituation erfordert, die Werte des Helden "abgeprüft" werden. D.h., der Spielleiter schaut, ob dem Helden ein Vorhaben gelingt, indem er den Spieler auf den entsprechenden Charakter- oder Fähigkeitswert würfeln läßt. Liegt das Würfelergebnis unter oder auf dem Wert, ist's gelungen, liegt es darüber, ging's in die Hose. Den W20 (kurz für 20seitiger Würfel) gab es übrigens bereits schon bei D&D. Zusätzlich werden meist auch die ganz gewöhnlichen sechsseitigen Würfel benutzt, und manche Rollenspielsysteme, vornehmlich solche, die die Charakter- und Fähigkeitswerte in Prozent ausdrücken, verwenden auch zehnseitige Würfel (Dekaeder...?). Ein Rollenspiel-System, das mit Prozentwerten arbeitete, hieß MERS. Und damit wären wir bei Punkt 2.
2. Mittelerde-Rollenspielsysteme
Es war nur eine Frage der Zeit, bis ein amerikanischer Rollenspiel-Verlag sich die Rechte am begehrten Mittelerde-Hintergrund unter den Nagel reißen würde. Dieses geschah Ende der Achtziger durch I.C.E (Iron Crown Enterprises), einem Rollenspiel-Verlag, der soviel ich weiß bis heute noch recht aktiv ist (diverse andere RPG-Systeme und artverwandtes). "Middle Earth Role Playing", kurz MERP, nannte man das Kind ganz einfach. Später gab es mit dem "Mittelerde-Rollenspiel" (MERS) auch eine Übersetzung ins Deutsche, aber da war schon einigermaßen klar, das es sich gegen die großen Rollenspielsysteme nicht würde behaupten können. Da wir (meine damalige Rollenspielgruppe und mit uns wahrscheinlich die ganze, damals noch junge Rollenspielgemeinde) schon ungeduldig auf dieses Spiel gewartet hatten, schafften wir uns gleich für viel Geld die amerikanischen Originale als Importe an. DSA und D&D hatten wir schon durch, und Mittelerde war natürlich die eine, nie erreichte Welt, in der wir unbedingt rollenspielen wollten. Ich kann durchaus behaupten, daß ich einen Großteil meiner heutigen Englisch- sowie meine ersten Elbischkenntnisse diesem Rollenspielwerk verdanke. Um so enttäuschter waren wir natürlich, als sich nach tagelangem Wörterbuchwälzen und Übersetzungsarbeiten herausstellte, daß es sich "nur" um ein ziemlich gewöhnliches Rollenspiel handelte. Ungewöhnlich waren eigentlich nur die Zehnerwürfel, die der Spielepackung beilagen, der Hintergrund aber hatte mit der Welt, die wir aus dem Herrn der Ringe kannten und liebten, nicht viel mehr als den Namen gemein. Es gab die üblichen Kämpfer- und Magier-Heldentypen (vor allem letzteres ließ sich selbst für meine damals noch nicht allzu vertieften Mittelerde-Kenntnisse nicht gut mit dem HdR in Übereinstimmung bringen) und die Spieler konnten alle aus dem Roman bekannten Rassen zur Heldenerschaffung heranziehen. Wenn ich mich richtig erinnere, konnte man sogar einen Halbelben darstellen (obwohl doch Elrond eher eine absolute Ausnahme gewesen sein dürfte). Und die Spielmodule bzw. Abenteuer...nun ja, vielleicht nicht ganz so anspruchslos wie D&D, aber auch nicht wirklich inspiriert - bei der Fülle von gutem Hintergrundmaterial, die das Spiel in diversen Erweiterungssets bot, die sich jeweils auf einen, oftmals im HdR nur gestreiften Ausschnitt Mittelerdes konzentrierten, eigentlich ziemlich verwunderlich. Ich kann mich an ein Diebesabenteuer erinnern, das in Tharbad (vor dem Untergang des Nordkönigreiches) spielte. Die Handlung hätte gut in einen z.B. von den Conan-Geschichten inspirierten Hintergrund gepaßt, aber nach Mittelerde...nein, nicht wirklich. Andere Abenteuer liefen leider oft nach dem aus D&D bekannten Spielschema ab: irgendein Schwarzmagier/Sauron-Anhänger/Hügelgrab-Geist schart eine Menge Orks/Untote/Trolle/Ostlinge/Südrons um sich und bedroht, entweder von Sauron gesteuert oder auf eigene Faust, irgendeinen mehr oder weniger besiedelten Landstrich. Auftrag an unsere Helden: gehet hin und macht Geschnetzeltes aus ihnen. ABER: in einer Hinsicht war MERP durchaus eine gute Anschaffung. Es brachte mich dazu, endlich mein Silmarillion zuende zu lesen, welchselbiges ich Unwürdiger mir vor Jahren gekauft und nach etwa dem ersten Drittel frustriert zur Seite gelegt hatte. Eine MERP-Veröffentlichung, die ich bis heute (immerhin fast 15 Jahre später) noch immer besitze (neben einer ziemlich häßlichen Mittelerde-Landkarte mit ausschließlich elbischen Ortsbezeichnungen), das "Middle Earth Adventure Guide Book II", steckte so voller Querverweise auf das Silmarillion, daß ich nach jedem zweiten Satz darin blättern durfte. Und nachdem ich es dann notgedrungen zuende gelesen hatte, fing ich es gleich wieder von vorne an, langsam beginnend, zu begreifen, welche riesige Welt scih hier entfaltete (aber wem erzähle ich das...) Dieses Guide Book enthielt übrigens auch eine Einführung in Aussprache und Grammatik der Elbensprachen sowie ein kleines Wörterbuch. Etwas vergleichbares war damals in Deutschland nirgendwo zu erstehen (geschweige denn, daß man einem nicht-tolkienistisch veranlagten Buchverkäufer die Notwendigkeit eines solchen Werks hätte plausibel machen können). So schlecht war MERP also gar nicht. Mit etwas Eigeninitiative konnte man schon einiges draus machen. Und doch:
Mit dem Ende der großen Rollenspielwelle, als manch einer aus der ersten Rollenspieler-Generation langsam damit begann, sich zu alt zu fühlen, um weiter diesem Hobby nachzugehen (darunter auch meinereiner, aber das war wohl doch nur eine vorübergehende Krise), starb mit vielen anderen, kleineren Systemen auch MERP bzw. MERS mangels Nachfrage aus. Die Produktionen wurden eingestellt und die Rechte gingen zurück an Tolkien Enterprises, von wo sie dann erst wieder Anfang dieses Jahrtausends an Decipher gingen, die Spielefirma, die dann das Rollenspiel zu den Filmen produzierte (die deutsche Übersetzung wird von Pegasus Spiele vertrieben). Über dieses "Herr der Ringe-Rollenspiel" hat ja knechtodawas bereits angemerkt, daß es besser war, als von einem Merchandising-Produkt eigentlich zu erwarten. Ich selbst besitze nur die zwei Kartensets (Land- und Stadtkarten von den filmwichtigen Gegenden Mittelerdes), die allerdings sehr edel gemacht sind. Dementsprechend war aber auch der Preis ziemlich happig, was mich letztenendes davon abgehalten hat, das Regelwerk zu kaufen. Daher kann ich nicht wirklich etwas dazu sagen. Auch, daß es inzwischen wieder eingestellt wurde, ist mir neu. Damit dürfte dann auch das zweite offizielle Mittelerde-Rollenspiel Geschichte sein. Aber inoffiziell ist Rollenspiel in Mittelerde ganz und gar nicht tot, wie ja auch der Beitrag von Aricia beweist. Unzählige Rollenspielgruppen, ob
live action oder
pen&paper, in Deutschland und der ganzen Welt leben wahrscheinlich zur Zeit den Mittelerde-Rollenspieltraum (hach, warum nur kaum einer in meiner Gegend??), entweder nach eigenen Regeln oder nach solchen, die eigentlich einem anderen Hintergrund (DSA, AD&D) entlehnt sind (@Aricia: DragonSys sagt mir jetzt nix - das sind wohl reine LARP-Regeln, oder? Gibt es dazu auch Regelwerke? So richtig in Kartons, wie bei DSA?).
So. Damit wäre die kurze Übersicht durchgehechelt. Ist natürlich alles sehr lückenhaft und nicht auf dem neusten Stand. Bitte weiter diese Lücken auffüllen und auf Irrtümer hinweisen. Ich poste das jetzt erstmal und erzähl dann später, welches System ich selbst bevorzuge. Wie ihr vielleicht schon vermutet habt, nachdem ich bei den kommerziellen RPGs mit Kritik nicht gespart habe, bin ich einer von den Rollenspielleitern, die am liebsten alles von vorne bis hinten selbst zusammenschrauben.
(@ Aricia: was meinst du übrigens mit langer Antrittsrede? DAS hier ist lang.