Ciriel hat geschrieben:Was die Gestaltung der Figuren angeht, hast Du natürlich recht, Heidi. Darüber habe ich so noch gar nicht nachgedacht. Okay, ich nehme meine Kritik zurück.
Hee, danke, Cirilel. Ich denke, schon aus urheberrechtlichen Gründen hätte Owen das nicht machen können. Und in seinem Nachwort zu Band 2 schreibt er noch einmal ausdrücklich, dass diese Figuren auch dem plot seiner Geschichte angepasst sind.
Allerdings bleibt noch genug an Ähnlichkeit übrig, sodass es ein Lesevergnügen IST. Owen strickt ein paar Ideen von Tolkien, Lewis und vermutlich auch Williams (von ihm habe ich noch nichts gelesen) eigenständig weiter. Und ja nicht nur von ihm, sondern auch von Barries "Peter Pan" zum Beispiel. Peter und Barrie tauchen ja auch leibhaftig auf. Ich habe nun extra "Peter Pan" im Original gelesen, erst den ersten Band, also die Auszüge aus "Kensington Gardens", und im Moment lese ich "Peter Pan and Wendy". Ersteres ist bezaubernd, letzteres gefällt mir nicht mehr, aber ich habe es noch nicht durch. Vielleicht liegt mein Missfallen daran, dass dieser letzte Band eine Prosafassung des Schaupiels "Peter Pan" ist und darum literarisch nicht mehr so gelungen erscheint. Ich werde mir irgendwann das Schauspiel besorgen.
Aber der erste Band hat mich wirklich ergriffen. Ein Baby von einer Woche türmt aus dem Schlafzimmerfenster, weil es meint, ein Vogel zu sein, hin zu Kensington Gardens, zu den Vögeln. Und weil das Baby denkt, es kann fliegen, kann es auch fliegen. Ein Baby, und doch schon ganz selbständig. Richtig süß finde ich, dass Peterlein fast ärgerlich wird, weil alle Elfen vor ihm fliehen; denn Peter weiß nicht, dass er ein Mensch ist. Als er das schnallt, wirft er sein Nachthemd weg und wird nun endlich von den Elfen akzeptiert. Ganz fasziniert hört er auch den Vögeln zu, sitzt auf den Bäumen und redet mit ihnen. Und weil er die Vögel besser nachahmen kann mit einem Instrument, baut er sich eine Panflöte.
Hier zwei Links zu diesem - kostenlos herunterladbaren - Buch. Der Text ist identisch, mir kommt es nur auf das jeweils erste Bild an:
http://www.gutenberg.org/files/26999/26 ... 6999-h.htmhttp://www.gutenberg.org/files/26998/26 ... 6998-h.htmDie genannte Panflöte wird dann ein entscheidendes Motiv in Band 2 von James A. Owen.
Sellbst von Tolkiens "On Fairy-stories" had Owen ein Motiv aufgegriffen und realisiert: die Eukatastrophe. Tolklien bringt in dem Aufsatz ein Märchenbeispiel, wo ein Mädchen einen schlafenden Prinzen verzweifelt und eindringlich anspricht, weil dieser trotz aller Liebe nicht hört und sie ansieht. Und dann heißt es: "Er hörte und sah sie an."
Und bei Owen gibt es ein Kind, das in Trance versetzt worden ist - tausende von Kindern sind da in Trance versetzt worden, sie sind Kindersoldaten geworden -, wo aber John plötzlich eine Lösung weiß und in Gedanken die Mutter des Kindes anfleht, doch in seinen Augen zu lesen, welches die Lösung sei. und dann der lapidare Satz: "Aven saw it."
Da der Begriff "Eukatastrophe" irgendwo im Buch wirklich fällt, denke ich, dass die genannte Stelle die Illustration dazu ist.
Darum ist der Genuss von Owens Bücher um so höher, je mehr man die Werke kennt, auf die er sich bezieht. Allerdings müsste man da echt viel genau kennen, die Odyssee von Homer, die Göttliche Komödie von Dante etc.
Mir fehlen noch 70 Seiten des dritten Durchgangs, und noch immer finde ich nicht die Auflöstung des plots: was genau die drei Caretaker im ersten Band in der Vergangenheit verändert haben und nun die Ursache ist für das Unglück im dritten Band.
Das geht mir sehr ähnlich. Ich muss noch mal suchen, ob ich das finde, was ich anscheinend überlesen habe.
Ich hab jetzt noch dreißig Seiten und die Auflösung immer noch nicht gefunden. Ich fürchte, Owen hat es echt vergessen aufzulösen. Er ist ein bisschen ein chaotischer Schreiber, im ersten Band noch mehr als im zweiten. Da er zig Motive hat, die den Band durchziehen, muss man wie ein Luchs aufpassen, damit man die Entwicklung der Motive verfolgen kann. Bis auf dieses eine habe ich aber alle aufgelöst gefunden. Wenn er die Auflösung des Hauptmotvis echt vergessen hat, dann ist das so, als würde man in einem Krimi den Mörder nicht nennen.
Aber zu Doyle und Houdini: ich sehe das nicht negativ, was sie getan haben. Sie sind der Meinung, dass die Geheinmiskrämerei aufhören soll, dass die Menschheit ein Recht darauf hat, zu erfahren, was im Reich der Imagination gespielt wird. Haben sie nicht mutig gehandelt? Mit Gefahr, bestraft zu werden? Sie verfolgen doch Ziele, hinter denen sie stehen.
Prinzipiell muss das nichts Schlechtes sein, da stimme ich Dir zu. Wenn ich mir Berts Aussagen dazu allerdings ansehe (hilf mir bitte, wenn ich falsch liege, ich habe das Buch nur einmal gelesen), scheint er es sehr negativ zu bewerten. Das gilt auch für die Probleme, die deswegen noch später auftraten. Darum hatte ich dann das Gefühl, diese Verhaltensweise war "böse" (schließlich zog sie auch eine Bestrafung nach sich).
Aus Berts Sicht ist das auch böse. Aber das ist genau das, was mir an Owen so gefällt: er bietet dann plötzlich eine Perspektive, die alles in ein neues Licht setzt. Burton erklärt in Kapitel 14, dass einige, die zu Caretakers ausgebildet wurden, die Regeln - dass alles den Menschen verheimlicht werden müsse - nicht akzeptieren und deshalb eine Society gegründet haben, damit die Menschen informiert werden.
In den Augen der Caretakers sind sie natürlich Verräter, in ihren eigenen Augen wollen sie den Menschen damit einen Gefallen tun. Die Bestrafung nehmen sie auf sich.
Der entscheidende Unterschied in der Sicht ist:
die Carektaker wollen das Land der Menschen und das Land der Phantasie strikt getrennt. Es war früher einmal vereint, aber nun ist es getrennt, und so soll es bleiben. Alles andere wäre zu gefährlich.
Die Gegenbewegung ist der Meinung, dass die beiden Reiche wieder vereint werden sollen. Alles andere wäre Verrat an der Menschheit.
Aus der Vorschau weiß ich, dass in Band 3 dann tatsächlich die beiden Reiche vereint werden. Da das aber 1931 spielen soll, könnte es sein, dass diese Vereinigung dann doch nicht so gut war. Aber immerhin will die Gegenbewegung das Beste für die Menschen, und es bleibt offen, wer von den beiden Seiten die richtige Wahl getroffen hat. Wie ich Owen inzwischen kenne, wird er der Meinung sein, dass jeder so handeln muss, wie er es für richtig hält.
Band 3 ist ja schon seit Oktober draußen, Band 4 ist für Oktober 2009 angekündigt. Das Taschenbuch von Band 3 erscheint in drei Wochen, das wird dann meins sein.